Boomer, Gen X, Millennials und Gen Z: Was bedeuten die Konflikte der Generationen für Unternehmen und Gesellschaft? (2024)

Zwischen Tradition und Wandel

Der Begriff Generation stammt vom lateinischen Wort generatio, einer begrifflichen Neuschöpfung aus dem ersten Jahrhundert n. Chr., das auf den älteren Begriff genus zurückgeht. Seit der Antike wurde mit dem Begriff generatio immer auch ein Element von Erneuerung angesprochen, da neue Generationen neue Ideen zur Lebensgestaltung oder zu gesellschaftlichen Fragen einbringen. Damit wurde schon damals auf das grundlegende Spannungsfeld von Generationenbeziehungen verwiesen: Durch die Geburt von Kindern wird eine neue Generation gebildet, die sich von der Generation der Eltern unterscheidet. Die verschiedenen Generationen sind einerseits aufeinander angewiesen und müssen vorhandene gesellschaftliche Probleme gemeinsam lösen. Andererseits führen ihre Differenzen zu unterschiedlichen Interessenlagen und Problemwahrnehmungen. So entsteht ein Spannungsfeld zwischen Tradition und Wandel. Rüdiger Maas ist einer der bekanntesten Generationenforscher Deutschlands. Seit 2012 untersucht er mit seinem Team Kohorten- und Gruppendynamiken sowie generationenbedingtes Verhalten. 2017 gründete Maas das Institut für Generationenforschung in Augsburg. Forschungsschwerpunkte liegen auf der gegenseitigen Beeinflussung der Generationen untereinander sowie auch beim Umgang miteinander in Unternehmen oder in der Gesellschaft. In seinem aktuellen Buch widmet er sich dem „Konflikt der Generationen“ und beschreibt, wie sie von unterschiedlichen Denkmustern geprägt werden und wie sich Konfliktlinien durch die Gesellschaft ziehen und sie spalten. Gestützt auf aktuelle Studien bietet er einen lösungsorientierten Blick auf aktuelle Konflikte in der Arbeitswelt und plädiert für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Soziologen, Publizisten und Trendforscher teilen Generationen in unterschiedliche Kategorien ein. Dieser „Schubladen“-Ansatz wird häufig kritisiert, allerdings kann das Verständnis der spezifischen Merkmale jeder Generation auch dazu beitragen, Konflikte zwischen den Generationen besser zu erkennen sowie den gegenseitigen Austausch zu fördern, Vorurteile abzubauen und Altersbilder zu hinterfragen.

Überblick über die gängigsten Begriffe und ihre Charakterisierungen

Stille Generation (1928 und 1945)

Sie ist der Nachfolger der Verlorenen Generation (geboren zwischen 1883 und 1900) und Großen Generation (1901 und 1927). Geprägt ist sie von den Konsequenzen des Ersten Weltkrieges und durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Der Name verweist darauf, dass es damals als gefährlich oder unerwünscht galt, sich offen auszudrücken. Diese Generation hat gelernt, aus einer schwierigen Situation das Beste zu machen. Weit verbreitet ist die Ansicht, dass sie viel Wert auf Familie, Sicherheit, harte Arbeit und Heimat legt.

Babyboomer (1946 und 1964 bzw. 1969)

Sie weisen die größte Population aller Generationen auf. Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg verbesserte für viele Menschen die Lebensbedingungen. Die Geburtenraten stiegen deutlich an. Während dieser Zeit war die Gesellschaft mit wenigen wirtschaftlichen Krisen konfrontiert und wurde eher durch die Friedens- und Umweltbewegung geprägt. Der Generation werden Merkmale wie diszipliniert, karriere- und leistungsorientiert nachgesagt. Soziologen attestieren ihr auch ein ausgeprägtes Konkurrenzverhalten (Ellenbogenmentalität). Ihre Vertreter identifizieren sich über die Arbeit nach dem Motto 'Wer fleißig ist, verdient viel'. Viele Babyboomer sind aber auch darauf bedacht, ihr Geld zu investieren und einen Teil zu spenden. Sie zeigen sich sehr solidarisch, was sich auch in Spendeneingängen bei zivilgesellschaftlichen Organisationen niederschlägt.

Generation X (1965 bzw. 1970 und 1979 bzw. 1984)

Die Generationenvertreter befinden sie sich mitten im Arbeitsleben und stellen eine wichtige Stütze für die Wirtschaft dar. Sie haben den ersten großen technischen Fortschritt (erster Mensch auf dem Mond, erste Computer etc.) miterlebt. Zudem prägte diese Generation auch das gestiegene Bewusstsein für den Umweltschutz, da Umweltkatastrophen wie Tschernobyl oder das Ozonloch gesellschaftliche Ereignisse in ihrer ersten Lebensphase darstellten. Einige der Stereotypen besagen, dass diese Generation ebenfalls als leistungsorientierte Generation gilt, welche jedoch individueller als die vorherige agiert. Sie würde sich zur vorherigen unterscheiden, indem sie einen Ausgleich zwischen Beruf- und Privatleben anstreben, denn bei ihnen stehen vermehrt Freizeit und Lebensqualität im Fokus.

Generation Y (1980 bzw. 1984 und 1995 bzw. 1998

Die Generation repräsentiert das Bindeglied zweier Jahrtausende (auch Millenials). Seit Kindheit wurden sie bereits von technologischen Medien sozialisiert, weshalb sie auch als erste digitale Natives Generation betrachtet wird. Sie gilt als besonders technikaffin. Verschiedene Klassifizierungen weisen darauf hin, dass diese Generation, eine gute «Work-Life-Balance» verfolgt und etwas Sinn im Beruf anstreben möchte. Es wird ihnen nachgesagt, besonders die Individualität zu schätzen und gleichzeitig einen hohen Wert auf die Gemeinschaft zu legen.

Generation Z (1995 bzw. 1998 und 2010

Sie wuchs komplett mit digitalen Technologien auf. Diese Generation gilt als aufgeschlossen, aber auch als besonders fordernd, ungeduldig sowie gesundheits- und umweltbewusst. Das Bedürfnis nach freier Entfaltung stehe an erster Stelle. Häufig wird der Generation auch nachgesagt, dass sie zu faul sei und zu wenig arbeiten würde. Sie wünscht sich weniger Überstunden, mehr Gestaltungsmöglichkeiten und vor allem Freizeit. „Die Forderungen in Bewerbungsgesprächen sind teilweise sehr überzogen. Das betrifft nicht nur das Gehalt, sondern auch das gesamte ‚Wohlfühlpaket‘. Oft geht es gar nicht mehr um die Arbeit selbst, sondern nur um die Rahmenbedingungen“, bemerkt Wendy Trabold (Growth Management), Prokuristin bei consil med gmbh. Diese Generation strebt nach einer strikten Trennung von Arbeit und Privatem statt des Work-Life-Blendings älterer Generationen, die im Job auch häufig nach der privaten Sinnerfüllung suchen.

Generation Alpha (ab 2010 bis heute)

Sie wächst vollständig mit den neuen Technologien des 21. Jahrhunderts auf. Fortschreitende Digitalisierung, demografischer Wandel sowie politische Instabilität prägt sie zunehmend. Die heutigen 1-10-Jährigen gehören zu dieser Generation, weshalb man noch kaum Merkmale zu dieser Alterskohorte zugeordnet hat. Die ab 2025 Geborenen werden der Generation Beta zugeordnet.

Dennoch können diese allgemeinen Ergebnisse können regional und weltweit variieren. Rüdiger Maas warnt auch vor Klischees: "Jetzt stellen Sie sich einfach mal vor, Sie sind 15 Jahre jung und man sagt: Die 'Generation Z' sei ungeduldig. Wenn ich sage, das ist ein Generationsspezifikum, dann müssten die das theoretisch auch noch mit 35 und 65 sein." Doch auch „die Jugend" altert schnell – damit verändert sich automatisch die Einstellung zu Arbeitsmoral und Sicherheitsdenken. In seinem Buch erläutert er, wie historische Ereignisse und gesellschaftliche Veränderungen die Einstellungen und das Verhalten jeder Generation geprägt haben und warum dies häufig zu Missverständnissen und Konflikten führt: So ist die angebliche Faulheit der Generation Z für ihn eher Ausdruck eines massiven Leistungsdrucks. Auch sei die Skepsis der Älteren gegenüber dem Umweltengagement oft in einer Überforderung mit dem Themenkomplex begründet. Die wichtigsten Erkenntnisse aus seinem Buch sind im Folgenden zusammengefasst.

Nachhaltige Veränderungen in der Arbeitswelt

  • In Unternehmen dominieren noch Altersbilder, die dem so genannten Defizitmodell des Alters anhängen. Es besagt, dass die Leistungsfähigkeit generell mit dem Alter sinke und Ältere deshalb weniger produktiv seien als Jüngere.
  • Jüngere Menschen kommen anders in die Arbeitswelt als ältere Generationen. Die Bindung an den Arbeitsplatz hängt damit zusammen, wie ihn Menschen bekommen haben: Es macht nach Rüdiger Maas einen Unterschied, ob sich früher 100 Menschen auf eine einzelne freie Stelle bewerben mussten oder heute jemand seinen Job aus den Angeboten gleich mehrerer Unternehmen auswählen kann.
  • Für über 88 Prozent der jungen Menschen ist ein angenehmes Arbeitsklima der wichtigste Entscheidungsgrund für ein Unternehmen und das kann ich am meisten vermitteln durch Kollegen.
  • Die Arbeitswelt der Zukunft wird von jeder Generation abverlangen, neue Wege zu gehen und ihr vertraute Denkmuster abzulegen.
  • Digitalisierung: Etwa 99,7 Prozent der jungen Menschen haben ein Smartphone, mit dem sie mindestens 4 bis 12 Stunden täglich online sind.
  • Jüngere Menschen stehen in der Gesellschaft stark im Fokus, obwohl sie eine zahlenmäßig geringere Gruppe sind. Sie hinterfragen Ältere viel mehr als sich selbst und nehmen die (Arbeits-)Welt anders wahr als die Generationen vor ihnen. Viele Ältere, die verantwortungs- und aufopferungsvoll arbeiten, sind keine Vorbilder für die Jüngeren.
  • Die Zeiten von Workaholics sind vorbei: Dienstwagen, Betriebsausflüge am Wochenende sind für die Generation Z undenkbar geworden.

Gesellschaftliche und unternehmerische Herausforderungen

  • Die Geschwindigkeit, in welcher digitale Entwicklungen voranschreiten, bringen in gleicher Geschwindigkeit auch neue Anforderungen mit sich.
  • Die Babyboomer verlassen in großer Zahl den Arbeitsmarkt, während deutlich weniger junge Menschen nachrücken.
  • Der Fachkräftemangel verschärft sich.
  • Kinder wachsen heute behüteter auf als früher. Es gebe eine höhere Anzahl von „Intensivelternschaften (Helikopter-Eltern etc.). Da viele Eltern ihren Kindern viel Verantwortung abnehmen, wird diese von den Jugendlichen auf den Staat übertragen (Verantwortung für Studien- und Arbeitsplatz) bekomme. "Wir unterschätzen, dass ich, wenn ich mein Leben lang in die Schule gefahren werde, wenn mir mein Leben lang alles abgenommen wird, nie gelernt habe, mein Handlungsspielfeld wahrzunehmen", so Maas. Junge Menschen zerbrechen oft schon an „Kleinigkeiten", weil sie nie gelernt hätten, selber Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Dabei ist es für Kinder wichtig, im Altersverlauf Schritt für Schritt Selbstständigkeit und Selbstvertrauen zu erlernen und Gefahren einzuschätzen. Und das tun sie vor allem in Situationen, in denen sie auf sich gestellt sind. Wenn Kinder von ihren Eltern immer an die Hand genommen werden, tun sich später sehr schwer, selbst den großen Schritt zu machen. Der Unternehmer und Personalexperte Werner Neumüller plädiert ebenfalls dafür, „dass Kinder rechtzeitig lernen müssen, mit Veränderungen und Niederlagen umzugehen und sich den Herausforderungen zu stellen: in der Schule, in Sportvereinen, auf Turnieren und im Leben. Kinder sollten nicht unter übertriebenen Schutzschirmen der Eltern aufwachsen. Wir sollten ihnen mehr zutrauen, sie fordern, fördern und belohnen.“ Zudem verweist er darauf, dass aufgrund mangelnder Lebenserfahrung immer mehr junge Menschen in Personal- und Einstellungsgesprächen an der persönlichen Eignung scheitert. Deshalb sei es wichtig, „Eigenverantwortung und eine gewisse Grundhärte zu entwickeln, um auch in der Lage zu sein, Konflikte durchzustehen und Herausforderungen zu meistern.“
  • Junge Menschen schätzen sich selbst weniger leistungsfähig als ältere Arbeitnehmer:innen ein (Quelle: Institut für Generationenforschung).
  • Heute werden vor allem auf Nachwuchskräfte neue Arbeitsmodelle und -konzepte entwickelt und umgesetzt, die Älteren bleiben an einigen Stellen außen vor.
  • Es haben sich Stereotype über die junge Generation verfestigt, dass sie von jungen Menschen selbst geglaubt werden (z.B. Verständnis von Leistungsfähigkeit, welches nicht mit dem Leistungsbegriff älterer Generationen vereinbar ist).
  • Die Veränderungen in unserer schnelllebigen Zeit verlaufen schneller als in früheren Generationen. „Je schneller jedoch eine technologische Entwicklung die nächste ablöst, desto schneller ereignen sich Brüche in den Erfahrungshintergründen der Menschen“, so Rüdiger Maas.

Lösungsmöglichkeiten

  • Es braucht Offenheit für eine Digitalisierung des Bewerbungsprozesses. Inzwischen muss es nicht mehr unbedingt das persönliche Bewerbungsgespräch sein, sondern man hat festgestellt, dass man sich auch sehr gut im Video Call einen ersten Eindruck von einem Bewerber machen kann.
  • Bildung muss als ein lebenslanger Prozess betrachtet werden. Menschen allen Alters müssen offen für neue technologische Entwicklungen und Innovationen sein, aber auch bereit sein, sich fortwährend anzupassen. Ältere Erwerbstätige benötigen häufig gezielte Schulungen, um mit der modernen Arbeitswelt Schritt halten zu können.
  • Die Vorteile von Diversität nutzen: Das gelingt, wenn alle Menschen Verständnis füreinander und eine Beziehung zueinander aufbauen. (Der Generationenmix ist für Unternehmen wie die NEUMÜLLER Unternehmensgruppe schon immer selbstverständlich. Von Beginn an wurde hier auch auf einen Kompetenzmix jüngerer und älterer Mitarbeitender gesetzt.)
  • Sollen Fachkräfte der Generation Z gewonnen und langfristig gebunden werden, müssen Arbeitsstellen klischeefrei sein. Das erfordert, eigene Wahrnehmungen, Meinungen und Einstellungen zu reflektieren.
  • Die 55plus-Generation sollte von Unternehmen mehr wertgeschätzt werden: Bis Ende des Jahrzehnts wird es weltweit - vor allem in Ländern mit hohem Einkommen - etwa 150 Millionen mehr Beschäftigte als heute geben, die 55 Jahre und älter sind. Auch in Deutschland nimmt die Zahl der älteren Mitarbeitenden seit Jahren zu. Bis 2031 werden hierzulande rund 27 Prozent aller Beschäftigten auf die Generation 55plus entfallen
  • Die wichtigsten Wirtschaftsgüter des 21. Jahrhunderts werden nachhaltige Ideen und Kreativität sein. Durchschnitt und Standardisierungen in der Arbeitswelt sind eine große Gefahr für eine erfolgreiche und nachhaltige Zukunft.
  • Die ältere Generation sollte versuchen, positive Szenarien der Zukunft aufzuzeigen, sonst kippt die Diskussionskultur ins Negative.

Worauf es wirklich ankommt, ist die Fähigkeit, alles in Zusammenhängen zu lesen und zu verstehen. Von Anfang an. Und zu zeigen, dass die Zukunft als Herausforderung alle Generationen gemeinsam tragen und gestalten.

Das Buch:

  • Rüdiger Maas: Konflikt der Generationen. YES Verlag, München 2024.

Weiterführende Informationen:

Boomer, Gen X, Millennials und Gen Z: Was bedeuten die Konflikte der Generationen für Unternehmen und Gesellschaft? (2024)
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Author: Geoffrey Lueilwitz

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